Selen ist für uns lebenswichtig
Selen ist antioxidativ und entscheidend für die Abwehrfunktion unseres Immunsystems. Es wird gebraucht bei der Umwandlung und Aktivierung unserer Schilddrüsenhormone, in unserem Glutathion-Entgiftungssystem und es ist Bestandteil von Selenoproteinen, die wichtig sind für zum Beispiel den Herzmuskel. Selen unterstützt außerdem unsere Fortpflanzung: Es ist essenziell für eine gute Qualität der Spermien. Und trotzdem wird Selen als pharmakologische Substanz trotz dieses Wissens um seine Bedeutung in der Medizin nicht spezifisch eingesetzt. In keiner internistischen Leitlinie, bei keiner internistischen Krankheit wird diagnostisch der Selenspiegel im Vollblut gefordert. Nie wird Selen als Teil einer spezifischen internistischen Therapie eingesetzt und nie wird gezielt bei entsprechenden Krankheitsbildern ein Selenspiegel im Vollblut von 150 µg/l gefordert.
Dabei wäre mit 150 µg/l Selen im Vollblut die Selenversorgung in der Zelle so gut, dass alle „Plätze“, bei denen Selen zum Einsatz kommt, belegt wären und alles Selenabhängige gut funktionieren würde. Die brutale Realität unserer Selenversorgung sieht hingegen anders aus: Nur ganz selten haben einzelne Menschen spontan, also angeblich ohne Therapie, Selenspiegel von > 120 µg/l. Die meisten, ca. 98 %, liegen unter 120 µg/l und davon liegen ca. 80 % < 100 µg/l und davon ca. 60 % < 80 µg/l. Aber erst ab einem Selenvollblutspiegel von über 120 µg/l ist der Wert hoch genug, um alle selenabhängigen Enzyme ausreichend versorgen zu können.
Selenmangel ist eine Basis chronischer Entzündung
Bei Selenvollblutspiegeln < 120 µg/l bleibt irgendwas Lebenswichtiges „ungetan“ auf der Strecke. Nein, wir sterben nicht, aber ein Selenmangel unterstützt alles, was Sie im Alter nicht haben wollen: Hypothyreose, Hashimoto-Thyreoiditis, rheumatische Autoimmunerkrankungen, Krebs, häufige Virusinfektionen, Herzkrankheiten etc.
Ganz allgemein gesagt: Entzündung als Prozess geht mit Selenmangel einfach besser und das Letzte, was der Körper im Alter gebrauchen kann, sind zu viele und chronisch anhaltende Entzündungsprozesse, damit ist es schwer, gesund zu bleiben. Diese schwachen Selenspiegel reichen null für ein gutes langes Leben. Der geringste Stress, der kleinste Unfall, die kleinste Infektion reicht aus, um alles durcheinander zu bringen.
Serum-Selenspiegel: der Referenzbereich von 50–105 µg diagnostiziert den Selenmangel
Wenn man genau wissen will, wie es um die eigene zelluläre Selenversorgung bestellt ist, eignen sich dafür Selenspiegel im Vollblut besser als die Selen-Serumspiegel, da Selen zu ca. 60 % in der Zelle und nur zu ca. 40 % außerhalb der Zelle zu finden ist. Bei den meisten Laboren findet sich als „normaler“ Serum-Selen-Referenzbereich als Angabe ein Norm-Intervall von 50–105 µg/l. Minus 10 % entspricht das ca. 45–92 µg Selen im Vollblut. Auweia! Ja, so sieht sie aus, die statistische Realität unserer Selenversorgung, ein deutscher Supermangel von 45–92 µg/l.
Wie Selenspiegel richtig zu interpretieren sind, dieses Wissen ist bislang noch nicht sehr verbreitet, weshalb viele Ärzte immer noch glauben, dass dieser Serum-Selen-Mangel-Bereich einem guten Selen-Wirkspiegel entspricht. Wenn also der Serum-Selenwert 60 µg ist, dann wird geglaubt, das sei das völlig o. k. und darüber hinaus sei alles schädlich. Das ist aber ein gravierender Denkfehler!
Alle Selen-Serum-Spiegel unter 105 µg/l entsprechen einem ganz schlimmen Selenmangel. Die üblichen Referenzbereiche der Selen-Serumspiegel beweisen und bestätigen den in Deutschland vorherrschenden Selenmangel. Erst ab einem Selen-Serumspiegel um 130–140 µg/l (das entspricht ca. einem Selenspiegel im Vollblut von 120µg/l) ist davon auszugehen, dass alle selenabhängigen Enzyme und Funktionssysteme gut versorgt sind.
Eine Spur Selen extra macht schon einen Riesenunterschied für unsere Zellfunktion
Gewarnt wird gern vor einer Überdosierung in Ländern mit toxisch selenhaltigen Böden, aber das ist kein Grund, den Rest der Welt in einem Selenmangel verharren zu lassen. Deutschland und Mitteleuropa, Skandinavien, China und Neuseeland sind Selen-Mangelländer, weil der Boden in diesen Gegenden selenarm ist. Die Folge ist bei uns allen ein ausgeprägter Selenmangel, weil das, was in unserem Boden wächst, kein Selen enthält, da können Sie noch so gesund essen und trotzdem wird selbst die DGE-Mindestdosis von 60 µg pro Tag (Mindestdosis, dass wir nicht krank werden) nicht sicher aufgenommen und schon gar nicht kann man sich über die Nahrung Selen in therapeutischen Dosierungen zuführen, das geht nicht.
Um gute therapeutische Wirkspiegel im Blut zu erreichen, benötigen die meisten Menschen Dosierungen von 100 µg bis 1000 µg Natriumselenit täglich. Das sind absolut betrachtet winzige Mengen (0,1 bis 1 mg/d), die reichen bei einem Spurenelement aber aus, um die Zellfunktion messbar zu verbessern.
Selen ist essentiell für Schilddrüsenerkrankte
Sehr wichtig ist Selen für eine gesunde Schilddrüsenfunktion. Für alle Schilddrüsenpatientinnen und -patienten, die eine Mono-Therapie mit L-Thyroxin (T4) machen, gilt: Wenn Ihr freies T3 (fT3) im Blut gemessen relativ niedrig ist (unteres Drittel des Referenzbereiches), bei relativ gutem freien T4 (fT4) (mittleres Drittel des Referenzbereiches), dann wandeln Sie in den Zellen ihr T4 nicht gut um in das stoffwechselaktive Schilddrüsenhormon T3. Dann fehlt bei Ihnen mit großer Wahrscheinlichkeit gravierend Selen.
Selen bei Amalgam-Füllungen und großem Fisch-Verzehr
Bei unseren Spurenelementen ist zu beachten, dass sie mit Schwermetallen interagieren. Selen wird vor allem durch eine Quecksilberbelastung gestört. Zum einen kann Quecksilber sich an Selen binden und so die Funktion von Selen in unserem Stoffwechsel blockieren und zum zweiten kann der Bedarf an Selen durch eine Quecksilberbelastung erhöht sein, da Selen zur Ausleitung von Quecksilber über die Nieren vermehrt verbraucht wird. Das bedeutet, dass Menschen mit einer relevanten Quecksilberbelastung durch zum Beispiel Amalgam-Füllungen im Mund oder durch Verzehr von viel Fisch, vor allem Thunfisch, auf den normalen deutschen Selenmangel obendrauf noch einen quecksilberbedingten Selenmangel haben. In diesen Fällen bitte nicht wundern, dass ggf. auch mit täglich 900 µg Natriumselenit die Vollblutspiegel nicht über 120 µg/l steigen.
Ganz wichtig für die Therapie: Welches Selen soll man nehmen?
Für eine Selen-Therapie gibt es viele verschiedene Selenformen zu kaufen. Nur eine ist meines Wissens nach 100 % sicher, wirksam und nie toxisch: das anorganische aktive wasserlösliche Natriumselenit. Im Gegensatz dazu, kann es mit anderen, im Handel verfügbaren organischen Selenformen, wie z. B. Selenmethionin, zur toxischen Ansammlung von Selen im Gewebe kommen. Bitte diese organischen Formen von Selen nicht einnehmen, und wenn, dann nur mit Laborkontrolle und jemandem der Erfahrung hat an Ihrer Seite. Achten Sie auch darauf, welche Selenform in Ihrem Multivitaminpräparat verwendet wird. Da viele diesen Unterschied bei den Selenformen nicht kennen, wird oft vor Selen gewarnt, aber das ist Quatsch. Man muss nur die richtige Form verwenden, dann gibt es keine toxischen Spiegel. Natriumselenit ist wasserlöslich, das kann sich nicht ansammeln. Es kann sein, dass Sie eine höhere tägliche Therapie-Dosis benötigen, um einen stabilen Wirkspiegel zu erreichen, aber es schadet sicher nicht und das ist wichtig.
Auch wenn ich grundsätzlich finde, dass eine Mineralstofftherapie immer mit Labordiagnostik begleitet werden muss, ist der Selenmangel in unserem Land so verbreitet, dass man meiner Erfahrung nach mit täglich 100 µg Natriumselenit, mehr richtig als falsch machen kann. „Schlimmstenfalls“ ist die Dosis „nur“ zu niedrig. Nehmen Sie eine kleine Dosis und lassen Sie Ihren Vollblutwert unter Therapie nach drei Monaten messen, das Ziel ist, einen Vollblutspiegel von 140–160 µg/l zu halten – lebenslang.