Biochemische Empfindlichkeit – was ist das denn? Dann auch noch unseres Stoffwechsels, was soll das bedeuten, sind wir denn da drinnen nicht alle gleich? Haben wir denn nicht alle die gleiche Zellfunktion, die gleiche Nieren-, Leber-, Herz- und Gehirnfunktion? Die Antwort ist nein, wir sind alle da „drinnen“ nicht gleich, jede und jeder ist anders. Anderer Stoffwechsel, andere Biochemie, der eine empfindlich, die andere robust. Wir haben ja auch alle eine andere Schuhgröße von ganz klein bis ganz groß, bedeutet, wir haben unterschiedlich große und breite oder schmale Füße, warum soll es mit den Sachen, die es „in“ uns gibt, anders sein?
Unsere biochemische Konstitution: ein Fass voller Ressourcen
Was wir neben Niere & Co auch „in“ uns haben ist eine biochemische Konstitution, ein Fass voller Ressourcen, einen Stoffwechsel, der funktioniert oder nicht. Wir können hier gut aufgestellt sein und damit robust, oder wir können auch empfindlich sein. Das ist wichtig, weil, wenn das so ist, dass wir uns bezüglich unserer Biochemie unterscheiden, dann können wir dafür aktiv – ergänzend zu gesundem Verhalten – etwas für unseren Körper und unsere Gesundheit tun. Wir können dieses biochemische Ressourcen-Fass zum Beispiel mit allem, was fehlt, auffüllen und wir können „es“ ordnen, wenn alles „da drinnen“ chaotisch geworden ist.
Zum Beispiel die empfindliche Haut: Wenn unsere Haut gut mit dieser Biochemie versorgt ist, dann kann sie, auch wenn sie von Haus aus empfindlich ist, relativ viel Belastung ertragen. Wenn die Haut keine gute biochemische Grundlage hat, ist sie auch bei eigentlich robuster Konstitution nicht stabil und „nervt“ bis hin zur Störung oder Krankheit. Ganz schlimm ist es natürlich, wenn eine empfindliche zarte Haut auch noch total „alle“ ist und keine biochemischen Ressourcen da sind, um ihr zu helfen, kleinsten Stress zu ertragen.
Was konkret ist nun mit der Biochemie unseres Stoffwechsels und unserer Zellen gemeint?
Damit sind zum einen unsere essenziellen Nährstoffe, wie Vitamine, Mineralien, Spurenelemente, Aminosäuren und Fettsäuren gemeint und zum zweiten, auch ganz wichtig, unsere Hormone.
Nährstoffe – die Basis unserer Biochemie
Der erste Punkt, die essenziellen Nährstoffe, die sind bekannt. Viele wissen, dass wir, je nachdem wie gezählt wird, neben Wasser, Sauerstoff und Licht, ca. 40 biochemische lebenswichtige Substanzen für unseren Stoffwechsel aufnehmen müssen (meist über die Nahrung), da wir diese Substanzen selbst nicht herstellen oder speichern können. Fehlt beispielsweise über lange Zeit nur ein Vitamin, werden wir krank.
Beispielsweise gibt es viele Menschen, die relativ betrachtet einen höheren Vitamin-C-Bedarf haben, als ihnen über die Nahrung zur Verfügung steht. Wenn sie mehr Vitamin C hätten, wäre die gesunde biochemische Antwort des Körpers auf Stress leichter herzustellen. Dies gilt auch für alle anderen Nährstoffe. In meiner Arbeit bringe ich mit Substitution den Spiegel fehlender Nährstoffe beabsichtigt in einen über der Norm liegenden Bereich, weil erst dann gibt es eine therapeutische Wirkung im Sinne von besserer Funktion. Die Dosis muss hoch sein, so hoch, dass sich der Status Quo (der gerade gestört, empfindlich und vielleicht auch krank reagiert/agiert) zum gesunden Funktionieren verändert. Mein Ziel in der Behandlung ist es, nicht alles so zu lassen, wie es normal ist. Normal in Deutschland ist Vitamin-D-, Jod- und Selenmangel. Das lasse ich gerade nicht so, weil es normal ist.
Hormone – der biochemische Schlüssel zum Wiederaufbau
Der zweite Punkt, die Hormone, die kennen Sie natürlich auch, aber, dass die eine wichtige Rolle spielen für unsere biochemische Empfindlichkeit ist nicht Standardwissen. Die Wahrheit: Ohne Hormone geht gar nichts. Die Auswirkung der Hormone und auch ihr Fehlen, ist wieder gut am Beispiel der Haut zu erklären. Wir sehen täglich im Spiegel, wie sich unsere Haut, vor allem im Gesicht im Laufe des Lebens verändert. Schauen Sie sich Fotos von vor 10 Jahren an, der Unterschied ist im Gesicht deutlich sichtbar: Mehr Falten, mehr Flecken, Narben, Linien, Verhornungen, Rötungen, kleine Äderchen, schlaffe Backen, Haare, wo keine sein sollen und die Haut wird vor allem dünner. Natürlich sind die Veränderungen an der Haut im Alter vor allem auch Folge von den sich summierenden Belastungen, die die Haut im Laufe des Lebens ertragen musste, aber wenn in der Lebensmitte die Hormone wegfallen, ist da „keiner“ mehr da, der hilft, die entstandenen Hautschäden wieder aufzubauen. Das bedeutet, dass der Alterungsprozess unserer Haut und auch des Bindegewebes der Haut, teilweise dadurch begründet ist, dass die natürlichen hormonellen Wiederaufbau-Instrumente, allen voran für die Haut das Östrogen, im Alter „normal“ fehlen.
Stoffwechselfunktion sichtbar machen – wie geht das?
Jetzt kommt es zum nächsten Schritt, von der empfindlichen Haut in unser Innerstes. Genau wie bei der Haut haben auch unsere inneren Organe eine ganz unterschiedliche Fähigkeit, mit Stress und Belastungen umzugehen. Das Problem ist nur, wir können diese Organe nicht sehen. Um diese Empfindlichkeit der Organe und damit des Stoffwechsels sichtbar zu machen, muss man ein anderes Messinstrument nehmen. Wir Internisten messen, um zu diagnostizieren, ob und wie schlimm ein inneres Organ oder Organsystem erkrankt ist. Man misst in der Inneren Medizin zum Beispiel im Blut, Urin oder Stuhl die Funktion oder den Funktionsverlust, den Grad der Störung oder der Entzündung. An diese Flüssigkeiten und Ausscheidungsprodukte kommen wir relativ leicht ran. Sie spiegeln direkt und indirekt die Funktion vieler Organe und Organsysteme wider. Mal wird etwas gemessen, was da sein muss, mal wird etwas gemessen, was nicht da sein darf, mal ist es gut, wenn ein Messwert erhöht oder (zu) niedrig ist, mal schlecht.
Daten und Zahlen helfen zu objektivieren und zu beobachten
Auf diese Weise entstehen sehr viele Zahlen. Leider mögen viele Menschen Zahlen nicht. Dabei haben Zahlen einen wichtigen Vorteil: Sie sind im Gegensatz zu beispielsweise einer Farbe oder einem Gefühl nicht subjektiv, sondern sie sind etwas Objektives. Zahlen lassen sich im Verlauf klar beobachten, aufzeichnen und vergleichen und man kann mit den Zahlen, den Daten, wie man heute sagt, aus der Vergangenheit heraus, Berechnungen für die Zukunft machen. Man kann kranke Zahlen definieren und daraus Leitlinien für die Therapie herleiten und man kann gesunde Ziel-Zahlen festlegen und die Bemühungen dahin durch Messungen im Verlauf kontrollieren.
Messwerte sind objektiv, müssen aber richtig gelesen werden
Das hört sich erst einmal gut an. Das Problem mit den Zahlen ist ein anderes, sie sind als Zahl zwar objektiv, aber bevor man ihre Bedeutung „lesen“ kann, muss man sie in Beziehung setzen. Das erfordert zum einen viel Erfahrung über gute und schlechte Werte und steht zum anderen in Abhängigkeit zum etablierten Gesundheitssystem. Leider wird in der Inneren Medizin meist nur durch eine Mini-Messung von wenigen Laborwerten ausgeschlossen, dass das gesuchte Organ einen Totalschaden hat. Bedeutet, es wird pro Facharzt meist nur ganz spezifisch geschaut, ob etwas bedrohlich kaputt ist. Es wird bisher nicht im Labor danach gesucht, wer man ist oder wie der Körper funktioniert. Es wird meist nur gemessen, was nicht ist, im Sinne einer Ausschlussdiagnostik. Es wird nicht gemessen, ob jemand im Stoffwechsel auch wirklich alles Gesunde hat, um gut reagieren und funktionieren zu können. Es wird bisher noch nicht routinemäßig die biochemische Empfindlichkeit des Stoffwechsels und der Zellen gemessen. Das ist schade, denn viele Symptome sind mit der Gabe von Nährstoffen und Hormonen in therapeutisch wirksamer Dosierung – individuell ausgemessen und eingestellt – behandelbar.
Knochen und Gehirn brauchen bei Stress und im Alter Nährstoffe und Hormone
Beispielsweise ist der Mangel an Nährstoffen und Hormonen nicht allein die Ursache von Osteoporose, aber unabhängig von der Ursache (Genetik, Verhalten, Rauchen, Gewicht, Zahl der Kinder etc.) ist der Knochenstoffwechsel besser in der Lage, mit Östradiol, mit Progesteron, mit Vitamin D, mit Calcium, mit Vitamin K2, mit Bor, mit Aminosäuren und mit Vitamin C den Knochen „dicht“ zu halten, mit etwas Glück und Krafttraining ggf. sogar gegen die Natur (Genetik und Alter) wieder etwas aufzubauen.
Auch das Gehirn profitiert bei Stress (Auslöser einer biochemischen Empfindlichkeit) enorm von einer Unterstützung mit Nährstoffen und Hormonen, das habe ich ausführlich in meinem Blog „Gehirninsuffizienz – was tun?“ ausgeführt. Jedes Organsystem profitiert kurativ und präventiv von einer guten biochemischen Konstitution und Funktion, egal ob krank oder (noch) gesund, egal ob alt oder jung und im Stress.
Fazit: biochemischen Empfindlichkeit messen und individuell behandeln macht Sinn
Das bedeutet nicht, das gesunde Ernährung, Bewegung, nicht rauchen, wenig Alkohol, Vermeidung von Übergewicht ersetzt werden sollen, nein, ich möchte das Gegenteil unterstreichen: Gesunde Verhaltensweisen, ergänzt durch Sport, bewusstes Handeln UND eine gute Biochemie der Zellen und des Stoffwechsels ergänzen sich auf dem Weg, die Gesundheit zu (er-)halten oder wiederherzustellen. Es sind alles sehr gute Instrumente, um selbst etwas zu tun, wenn das Schicksal oder die Genetik zuschlagen. Über die Messung der eigenen Biochemie bekommen die Patientinnen und Patienten auch individuelles Wissen, was sie wann in welcher Situation an Nährstoffen in individuell wirksamer Dosis gut nutzen können, um beispielsweise bei einem Infekt das Immunsystem ergänzend zum Tee, Bettruhe und ggf. auch Antibiotika zu unterstützen.
Natürlich ist klar, dass bei richtig ernsthaften lebensbedrohlichen Krankheiten das alles nicht reicht. In diesen Situationen braucht es die wirkende rettende moderne pharmakologische, operative und invasive Medizin. Sie ist nicht ersetzbar. Aber auch hier kann man nach der akuten Krank-Phase mit Nährstoffen und Hormonen dem Körper helfen, dass er sich schneller und besser regeneriert und wieder erholt. Es gibt also sehr viele Anwendungsmöglichkeiten für die Behandlung unserer empfindlichen Biochemie.