Jeder hat sie schon einmal gesehen, die Hautpflegeprodukte mit Q10. Warum fügen die Hersteller ihren Produkten für die Haut den Stoff „Coenzym Q10“ hinzu und warum wird das so stark beworben? Weil das Coenzym Q10 ein ganz besonderer Stoff ist, der im zellulären Energiestoffwechsel in den Mitochondrien (das sind die Kraftwerke der Zellen) eine sehr wichtige Funktionsrolle spielt. Und je besser die 1000 Mitochondrien pro Hautzelle funktionieren, desto besser klappt es für die Haut, gesund zu bleiben und dem Sturm und Stress der Zeit zu widerstehen. Alle drei Wochen neue Hautzellen bedeuten immer wieder Zellteilung, Aufbau, Abbau, Regeneration. Das ist Arbeit, die Energie verbraucht, und diese Arbeit muss jemand „finanzieren“. Alle Zellen, nicht nur die Zellen in der Haut, „bezahlen“ ihre internen Prozesse mit dem sogenannten ATP, das als Energieträger in den Zellen fungiert und damit in der Stoffwechselregulation eine bedeutende Rolle spielt.
ATP ist der Energiestoff, den die Zellen in den Mitochondrien herstellen
ATP ist die Abkürzung für „Adenosin-tri-phosphat“. Dieses ATP wird über die Atmungskette – einer Kette von Enzymkomplexen – in den Mitochondrien gebildet. Unsere Zellen stellen täglich sehr viele Kilos ATP in den Mitochondrien her. Woraus? Aus dem, was wir essen natürlich. Unser Essen wird im Darm zerkleinert und resorbiert. Die kleinsten Bausteine, wie Glukose, Aminosäuren und Fettsäuren, werden dann über das Kapillarblut bis zur Zelle gebracht. Dort wird vor allem die Glukose über bestimmte Prozesse in die Mitochondrien hineingebracht und dort in den sogenannten Citratzyklus eingeschleust. Über verschiedene weitere kaskadenartige Stoffwechselprozesse entsteht dann über die ATP-Synthetase aus H+-Ionen und ADP (Adenosindiphosphat) das ATP.
Gesunde Zellen brauchen intakte Mitochondrien
Was für den Laien schon schwer verständlich ist, ist bereits eine starke Vereinfachung, die Prozesse in den Mitochondrien sind so komplex, dass man Bücher damit füllen kann. Ich möchte hier extra nicht die mitochondriale Biochemie in ihren Einzelteilen erklären, sondern lediglich, dass Sie anhand von Coenzym Q10 verstehen lernen, wie wichtig ein effizienter Energiestoffwechsel der Zellen für unsere gesamte Körperfunktion ist. Für eine stabile Gesundheit, erst recht beim Älterwerden, benötigen wir gesunde, gut funktionierende energiereiche Zellen in jedem Organsystem. Die Zelle und ihre Mitochondrien sind in der mitochondrialen Medizin der Hauptfokus. In der mitochondrialen Medizin spielt Q10 als „Medizin“ eine sehr wichtige Rolle. Intakte Mitochondrien sind die Basis gesunder Zellen, gesunde Zellen wiederum sind essenziell für eine gesunde Organfunktion.
ATP-Mangel bei mitochondrialer Dysfunktion macht krank
Alle chronischen altersbedingten Erkrankungen basieren auf einer zellulären mitochondrialen Dysfunktion. Es gibt die Herzinsuffizienz nur mit gestörten Mitochondrien, wären sie gesund, wäre das Herz nicht schwach. Auch eine typische mitochondriale Grunderkrankung ist der Alterszucker (Diabetes mellitus Typ II). Hier gelingt es den Zellen aus verschiedenen Gründen nicht mehr, den Zucker in ihren Kraftwerken für die ATP-Herstellung zu verwenden. Der Zucker kommt nicht in die Zelle hinein und schwimmt draußen weiter im Blut, verzuckert alles und macht so Gefäße in verschiedenen Organen krank. Gerade weil Q10 so wichtig für den Energiestoffwechsel der Zellen ist, sind Zellen mit einem sehr hohen Energiestoffwechsel (Herz, Gehirn, Nieren, Leber, Muskeln) sehr abhängig von einer guten Versorgung mit Q10. Eine Herzmuskelzelle hat pro Zelle 5000 Mitochondrien und nicht nur 1000, so wie die Hautzelle. Die größte Zelle, die Eizelle, hat 100.000 Mitochondrien. Das sind im Übrigen die 100.000 Mitochondrien, mit denen jeder Mensch intrauterin startet. Die Mitochondrien (mit ihrer DNA) haben wir immer nur von unserer Mutter. Unser Energiestoffwechsel ist weiblich.
Coenzym Q10 ist ein wichtiges Antioxidans
Neben seiner wichtigen Aufgabe in den Mitochondrien, ist Coenzym Q10 ein bedeutendes fettlösliches Antioxidans, das genauso wie Vitamin E helfen kann, fettähnliche Strukturen und Substanzen im Körper vor Oxidation zu beschützen. Darüber hinaus kann es, so wie Vitamin C, gebrauchte Antioxidantien wie oxidiertes Vitamin E oder auch oxidiertes Glutathion wieder recyceln. Hohe Mengen an Q10 über die Nahrung zu bekommen ist schwer, man muss dann schon viele Hühnerherzen oder kiloweise Sardinen verputzen, um nennenswerte Mengen von Q10 aufzunehmen. Q10 ist leicht zu substituieren, man kann nichts falsch machen, es gibt keine Probleme mit Überdosierungen, in meiner Praxis benötigt es fast jede und jeder: die Organkranken, aber auch Gesunde mit viel Stress oder sportlicher Betätigung haben manchmal sehr niedrige Q10-Spiegel im Blut.
Q10-Therapie am besten mit aktivem Ubiquinol
Q10 kann man als Ubiquinon kaufen oder als Ubiquinol, der aktiven Form. Ubiquinol ist teurer, aber dafür braucht es nach meiner Beobachtung auch ca. nur die Hälfte der Ubiquinon-Mengen, um vergleichbare Q10-Spiegelanhebungen im Blut zu erreichen. So viel günstiger ist Ubiquinon auch nicht, sodass ich in der Praxis zur oralen Therapie Ubiquinol empfehle. Damit klappt es fast immer, mit der entsprechenden Q10-Ubiquinol-Dosis die Spiegel auf den therapeutischen Zielbereich anzuheben, der ja nach Indikation für die Q10-Gabe unterschiedlich hoch sein kann oder muss. Rein präventiv bei den Noch-Gesunden bei intakten Mitochondrien (die Funktion lässt sich auch über die Labordiagnostik überprüfen) reichen niedrigere Q10-Spiegel aus. Die meisten Gesunden kommen mit 100 mg Ubiquinol auf gute präventiv schützende Werte. Wenn aber jemand schwer organkrank ist mit Herzinsuffizienz, Niereninsuffizienz oder einer neurodegenerativen Erkrankung braucht er bzw. sie meist hohe Therapie-Dosierungen von bis zu 600 mg Ubiquinol täglich (3x 200/d) um kurativ wirksame Q10-Spiegel zu erlangen.
Eine gesunde Lebensweise braucht gute Mitos, um wirken zu können
An eine Therapie mit Q10 denke ich immer, wenn jemand müde, schlapp und vor allem erschöpft ist, und wenn Organkrankheiten, chronische Infekte und chronische Entzündungen vorliegen. Unsere Innereien, vor allem das Herz, die Leber, die Nieren und das Gehirn lieben eine satte Versorgung mit dem Coenzym Q10. Über eine gute Versorgung mit Q10 können selbst auch kranke Zellen wieder besser ATP in ihren gestörten Mitochondrien herstellen. Eine bessere ATP-Versorgung kranker oder gestörter Organsysteme, trägt im wahrsten Sinne des Wortes zur Selbstheilung bei. Mit Q10 können sich die Zellen in Not wieder selbst besser helfen. Bitte keine Q10-Wunder erwarten, aber Q10 ist ein wichtiger Schlüssel für die Funktion der Zelle. Es braucht intakte Mitochondrien, damit eine gesunde Lebensweise im Stoffwechsel auch wirken kann.
Bei entsprechender Klinik (Beschwerden) und bekannten chronischen Diagnosen, bitte großzügig mit der Q10-Dosis sein. Da Q10 als Ubiquinol nicht ganz günstig ist, lohnt es sich schon, vor der Therapie den Q10-Spiegel im Blut zu bestimmen, denn je nach Ausgangsspiegel weiß man besser, wie viel Q10 man wirklich geben muss, um die Spiegel in die gewünschten Bereiche anzuheben. Bei Organinsuffizienzen ist die Frage nicht, ob es Sinn macht Coenzym Q10 zu geben, sondern nur wie viel Ubiquinol man benötigt, um gute therapeutisch wirksame Spiegel im Blut zu bekommen. Es gibt Ubiquinol in Kapseln zum Schlucken und auch als Flüssigkeit, die man im Mund auf – z. B. auch entzündetes Zahnfleisch – etwas einwirken lassen kann, bevor man es herunter schluckt.
Wichtige Regel: Statine immer nur mit Q10 einnehmen
Eine sehr wichtige Indikation in der Inneren Medizin für die Q10-Therapie ist die Einnahme cholesterinsenkender Statine. Unter einer Statintherapie wird in der Leber erfolgreich die Cholesterinsynthese über die Hemmung der HMG-CoA-Reduktase verhindert. Die Folge: das Cholesterin und das LDL sinken in die von den Internisten gewünschten therapeutischen Zielbereiche von LDL < 100 mg/dl, LDL < 70 mg/dl oder LDL < 50 mg/dl (je nach kardiovaskulärem Risiko). Leider führt die Hemmung der HMG-CoA-Reduktase auch zur Reduktion der körpereigenen Q10-Synthese, sodass es unter einer Statintherapie immer zum Absinken der eigenen Q10-Blutspiegel kommt.
Die Frage ist nun, ob die Patientin oder der Patient es sich leisten kann, auf 10 % bis 50 % des körpereigenen Q10s zu verzichten. War der Spiegel schon vorher niedrig, so ist er mit Statin noch niedriger. Ein Teil der im Statin-Beipackzettel erwähnten Nebenwirkungen ist meines Erachtens durch die Abnahme der ATP-Synthese unter dem Statin bedingten Q10-Abfall zu erklären. Um also die Statine gut zu vertragen, sollte unter einer Statintherapie erst recht der Q10-Wert im Blut auf einen therapeutisch wirksamen Spiegel angehoben werden. Pi mal Daumen macht man schon sehr viel richtig, wenn man pro 10–20 mg Statintherapie täglich (je nach Präparat) ca. 100 mg Ubiquinol hinzufügt. Wenn also jemand 40 mg Atorvastatin einnimmt, sollte er oder sie unbedingt 100 mg Ubiquinol „blind“ dazu einnehmen.